Von Jesper Klein, 03.08.2020

Grenzüberschreitung

Mit dem neuen Format „Klassik im Club“ verspricht das ZDF ein genreübergreifendes, Crossover-reiches Musikmagazin. Höherschlagen ließ erste Ausgabe die Herzen von Klassikfans jedoch nicht.

Der aspekte-Moderator Jo Schück, Kulturallrounder beim ZDF, kann es kaum glauben: Klassische Musik verdirbt Alice Sara Ott tatsächlich den Appetit. Und das, obwohl die klassisch ausgebildete Pianistin in diesem vermeintlich verstaubten und vertrockneten Musikgenre doch zu Hause ist.

Klassische Musik erhält im musikarmen Hauptprogramm des ZDF nur dann einen Sendeplatz, wenn sie mit Massentauglicherem in einer Schüssel verrührt wird.

Die Idee des neuen ZDF-Formats „Klassik im Club“ – im Berliner Delphi-Theater, mit DJ, dem „Berlin Music Ensemble“ und ausgewählten Solistinnen und Solisten – liegt nahe, auch wenn sich niemand traut, sie auszusprechen. Mit hippen Sounds und Beats soll klassischer Musik ein neues, jugendtaugliches Image verpasst werden: Der Irrglaube, man müsse Klassik irgendwie anders präsentieren (zur Kolumne von Hannah Schmidt), damit sie mehr als die Kenner-Klientel anspricht, ist keineswegs neu. Doch klassische Musik erhält im musikarmen Hauptprogramm des Zweiten Deutschen Fernsehens offenkundig nur dann einen Sendeplatz, wenn sie mit Massentauglicherem in einer Schüssel verrührt wird. Schade eigentlich.

So bewegt sich „Klassik im Club“ über weite Strecken erwartbar an der Oberfläche und kratzt höchstens vorsichtig an tiefgründigeren Schichten – etwa als Camille Thomas und Julien Quentin einen ganzen Satz aus einer Schostakowitsch-Sonate (Schostakowitsch!) im Fernsehen zum Besten geben. Warum nicht öfter so, fragt man sich. Dass die Künstler:innen über ihr Programm selbst bestimmen, wie es heißt, das ist tatsächlich eine gute Sache.

Beats und Boote

Aber: Braucht es den Beat-unterlegten Soundtrack zum Kinoschlager „Das Boot“, den Alex Christensen vom DJ-Pult aus mixt? Dass Klassik-Liebhaber:innen für die Crossover-Projekte der Sendung (etwa Samuel Barbers „Adagio for Strings“ mit Discobeat) kaum allzu große Begeisterung übrighaben werden, ist keine Überraschung. Zumal wenn es lediglich darum geht, miteinander zu vereinen, was sonst nicht zusammenkommt. Natürlich reden wir hier über Geschmäcker. Wenn aber selbst Christensen dieses Zusammenschmeißen von Zutaten in einen Topf bloß als „Ausprobieren“ von Dingen anpreist, dann ist die Frage erlaubt, ob am Ende nicht alle Beteiligten glücklicher sind, wenn man Klassik Klassik und den DJ DJ sein lässt. Denn das in der Schnittmenge von Klassik-Liebhaberinnen und Clubgängern überhaupt nennenswertes Zielgruppen-Potenzial liegt, müsste erst noch bewiesen werden.

Letztlich reproduziert „Klassik im Club“ zugleich die Klischees, gegen die das Format eigentlich anarbeiten will. „Ich respektiere alle Arten von Musik“ antwortet die Sopranistin Fatma Said sehr diplomatisch auf die gierige Frage danach, welche Musik sie auf keinen Fall singen würde. Wenn man es beim ZDF für unmöglich hält, ein Klassikmagazin zu etablieren – was traurig, aber schlussendlich nachvollziehbar ist – dann wäre für diesen Sendeplatz ein Musikmagazin womöglich ein Kompromiss. Eines, das nicht krampfhaft auf Synergien abzielt, sondern einfach Musik in ihrer Vielfalt zeigt.

© ZDF/Michael Clemens


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