Die Diskussion um Teodor Currentzis und seine MusicAeterna hat in den letzten Tagen noch ein Mal besonders Fahrt aufgenommen, nachdem ans Tageslicht kam, dass sich einzelne Ensemblemitglieder in den sozialen Medien eindeutig zum russischen Angriffskrieg bekannt hatten. Diese wurden für den Auftritt am Freitag im Konzerthaus Dortmund in Absprache mit der Intendanz und Currentzis suspendiert. Die ursprünglich geplante konzertante Aufführung von Tristan und Isolde wurde durch Verdis Requiem ersetzt. Als Statement, hieß es. Doch für wen erklingt dieses Requiem, wessen Tod wird betrauert? Sicher nicht die ukrainische Zivilbevölkerung, die parallel zur Tournee des Orchesters von der russischen Armee, 90 Jahre nach dem Holodomor, erneut gezielt attackiert wird. Nachdem eines der suspendierten Mitglieder ein prorussisches Kriegslied „für die Jungs an der Front“ auf dem Netzwerk VKontakte teilte, scheint Verdis Begräbnismusik eher den gefallenen Invasoren zu gelten.
„Wer sich eindeutig pro Krieg oder pro Kreml äußert, kann bei uns keine Bühne bekommen“, sagt Dortmunds Intendant Raphael von Hoensbroech. Currentzis schweigt nach wie vor, und dieses Schweigen ist lauter als Verdis dröhnendes Tuba mirum. Die Kölner Philharmonie und das Wiener Konzerthaus haben den Schritt gewagt und Currentzis für geplante Konzerte wieder ausgeladen. Das kann man mutig finden, oder auch einfach nur konsequent. Dortmund verpasst es, ein Zeichen zu setzen und steht somit am Ende scheinheilig da: Schließlich gab es in diesem Jahr bereits mehrere Benefizkonzerte für die Ukraine, die nun im fahlen Licht dieses Verdi-Abends geheuchelt scheinen.
Schweigen heißt Zustimmung
Solange MusicAeterna weiterhin Gelder aus Kreml-Kreisen erhält, plant das Konzerthaus Dortmund keine weiteren Auftritte mit dem Ensemble, immerhin. Anders als Salzburg-Intendant Markus Hinterhäuser, dem es vollkommen ausreicht, dass Currentzis aktiv noch nichts Verfängliches von sich gegeben hat, um ihn weiter zu engagieren. Es geht keineswegs darum, alle Chor- und Orchestermitglieder unter Generalverdacht zu stellen, für viele russische Musiker:innen wäre eine öffentliche Ablehnung des Kriegs womöglich mit lebensbedrohlichen Konsequenzen verbunden. Currentzis hingegen steht in einer Machtposition, und in dieser hat er die Möglichkeit sich zu äußern. Solange er dies aber nicht tut, muss dieses Schweigen als Zustimmung gewertet werden. Wer Currentzis engagiert, nimmt in Kauf, dass jede Solidaritätsbekundung mit der Ukraine rein plakativ im Raum stehen bleibt. Hohle Versprechungen.
Die einzige Einordnung seitens des Konzerthauses kam während der Konzerteinführung vom (externen) Referenten Alexander Gurdon, der dem Publikum die Faktenlage rund um die kremlnahe Finanzierung des Ensembles noch einmal offenlegte und die Zuhörer:innen auf ihre Rolle in dieser Situation aufmerksam machte: Jede Person, die an diesem Abend im Publikum saß, hatte sich bewusst dazu entschieden, niemand war zufällig da, alle wussten um die politischen Umstände des Konzerts. Einige Tickets sind in den letzten Wochen ob der Debatte zurückgegeben worden, ausverkauft war der Saal bei weitem nicht. Der Applaus jedoch hätte auch mit gefüllten Rängen nicht lauter sein können. Die Musik hatte den Jubel verdient – allerdings hätte sie nie unter diesen Umständen erklingen dürfen.