#rummosern

Eine Saison, rund um die Welt: Cellist Johannes Moser gibt in Video-Gastbeiträgen Einblicke in sein turbulentes Leben.

Von Anna Vogt, 01.10.2019

Around The World

Wie sieht das Leben eines Solisten aus? In der Saison 2019/20 berichtet Cellist Johannes Moser auf niusic von seinen Tourneen und seinen wichtigsten Musikprojekten. Zum Auftakt der Video-Reihe #rummosern sprachen wir mit ihm über das Reisen mit Cello und die Höhen und Tiefen des weltweiten Konzertierens.

Johannes Moser optimiert gern alles, soweit es möglich ist: Seinen Terminkalender befüllt er, als ob er Tetris spielen würde. Wo noch ein Fleckchen frei ist, passt doch hervorragend eine weitere Probe rein. Oder ein Unterricht. Oder ein Interview. Oder ein Videodreh. Was für eine grenzenlose Energie! Neben seinen etwa 80 Solokonzerten, die er im Jahr spielt, neben seiner Cello-Professur in Köln und seinen gemeinnützigen Projekten findet Johannes Moser auch noch Zeit und Lust, sein Leben als Cellist immer wieder auf Video zu dokumentieren. Genau deswegen konnten wir ihn für unsere erste Gastbeitrags-Reihe gewinnen. Auf niusic.de wird Johannes Moser in der Saison 2019/20 filmische Einblicke in sein Jetset-Leben als Solist geben. Zum Auftakt der Video-Reihe #rummosern mit und von Johannes Moser haben wir mit ihm in einer Berliner Kneipe erst mal ein paar Grundsatzfragen geklärt, zum Beispiel über Videodrehs und das Suchtpotenzial von Social Media. Jetzt folgt Teil 2 des Interviews:

#rummosern

Eine Saison, rund um die Welt: Cellist Johannes Moser gibt in Video-Gastbeiträgen Einblicke in sein turbulentes Leben.

niusic: Gerade beginnt die neue Saison. Worauf freust Du Dich am meisten?
Moser: Das Walton-Konzert mit der Boston Symphony: Das wird auf jeden Fall ein Highlight. Und ich freue mich auch auf die Uraufführung des Cellokonzerts von Andrew Norman in Los Angeles mit Gustavo Dudamel und auf die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Bernd Richard Deutsch …

niusic: Du wirst wieder viel Zeit in Flugzeugen verbringen in den nächsten Monaten. Was nervt Dich am Reisen?
Moser: Das Reisen mit dem Cello ist einfach die Hölle. Es ist unpraktisch, und Du kannst nicht in der Masse damit untertauchen, denn jeder guckt Dich schräg an und fragt sich: Ist das jetzt eine Gitarre oder so? Ich habe ja keinen Beruf gewählt, in dem ich mich ungern anschauen lasse, aber ich bin auch gern mal ein bisschen unauffällig unterwegs, und das ist mit dem Cello schwer. Aber natürlich genieße ich auch, dass das Reisen ein Abenteuer ist!

niusic: Fehlt Dir die Alltags-Routine, wenn Du so viel unterwegs bist?
Moser: Ich kenne Routine gar nicht, die schließt sich mit meinem Beruf einfach aus. Wenn man wirklich für etwas passioniert ist, dann ist Work-Life-Balance ein Mythos, glaube ich. Wo fängt Work an, wo hört Life auf?



niusic: Wie machst Du das mit dem Üben unterwegs? Geht das im Hotel?
Moser: Ja. Bis die Leute klopfen …

niusic: Man bekommt da manchmal Ärger?
Moser: Na sicher! Zum Beispiel in Hotels, die Deals mit Fluggesellschaften haben und in denen sich die Flugbegleiter ausruhen wollen. Dafür habe ich natürlich Verständnis.
Zum Glück gibt es meistens in den Hotels auch Konferenzzimmer zum Üben.

niusic: Zahlen eigentlich die Veranstalter den Extrasitz fürs Cello, den Du im Flugzeug brauchst?
Moser: Das ist Verhandlungssache, meistens ja, manchmal gibt’s aber nur eine Reise-Pauschale.

niusic: Also ist man als Cellist gegenüber einem Geiger zum Beispiel schon ein wenig im Nachteil?
Moser: Ja, absolut. Ich habe nen Riesenhaufen Reisekosten. Aber wo die Liebe hinfällt … (lacht). Ich würde nichts Anderes spielen wollen.

niusic: Schon mal eine Probe wegen Jetlag verschlafen? Oder ein Konzert?
Moser: Das ist mir zum Glück noch nie passiert. Aber ich habe tatsächlich mal im Hotel in der Rezeption angerufen, um zu fragen, wo ich bin, und der Rezeptionist antwortete ganz cool: „In Tokio, Sir. That happens all the time“. Dort ist der Jetlag aber auch echt schlimm … Das Wichtigste ist für mich, genug zu trinken und Sport zu machen, dann gewöhnt man sich relativ schnell an die Zeitumstellung.

niusic: Bist Du für die regionale Küche aufgeschlossen, wenn Du tourst?
Moser: Ja, aber ich würde nicht unbedingt mexikanisches Streetfood essen (lacht). Mein japanischer Agent verbietet mir sogar, dass ich am Konzerttag Sushi esse … In Japan geht das natürlich nicht, wenn man ein Konzert wegen Unwohlsein absagen müsste.

Johannes Moser: analog und digital

niusic: Ein stressiges Leben. Was machst Du, um kein Burnout zu bekommen?
Moser: Viel Sport, seit neuestem auch Meditation, gute Bücher lesen – und nicht so viel am Handy hängen. Ich glaube, dabei wird Energie abgezapft. Und ich verfolge zwar das politische Weltgeschehen, aber ich muss gestehen, dass ich meine emotionale Energie zusammenhalten muss und nicht unbedingt zur Erholung CNN schaue oder so. Auch schöne menschliche Kontakte unterwegs sind für mich ein Korrektiv für vieles. In Kontakt zu kommen, ist nur oft ein wenig schwierig, denn Du kommst ja in Deiner Funktion als Solist und wirst vom Orchester oder dem Publikum nicht unbedingt als Mensch wahrgenommen …

niusic: Naja, wenn man jemanden gerade als Solisten auf der Bühne erlebt hat, hat man vielleicht einfach Hemmungen, auf ihn zuzugehen. Das kann einen schon einschüchtern.
Moser: Ja, das kann ich auch verstehen. Heute hatte ich CD-Aufnahmen, und da waren im anderen Studio Jefim Bronfman und Magdalena Kožená – als wir alle zusammen in der Küche rumstanden, habe ich auch kein Wort herausbekommen.

niusic: Als Solokünstler bist Du viel allein unterwegs. Macht Dir das zu schaffen?
Moser: Wenn man ständig mit sich selbst und dem Cello unterwegs ist, dann fängt man schon auch irgendwann an, sehr um sich selbst zu kreisen und die eigenen Probleme sehr wichtig zu nehmen. Aber Reise-Zeit ist für mich – ganz banal – auch Office-Zeit. Da schneide ich zum Beispiel Videos oder organisiere, ich habe da schon zu tun. Das ist ja das Tolle an der heutigen Mobilität und wenn man mit Laptop und Handy reist: Du kannst im Flugzeug alles wegarbeiten!

niusic: Klingt ziemlich nach Selbst-Optimierung.
Moser: Ja, diesbezüglich habe ich schon ein bisschen eine Obsession entwickelt. Ich habe eine Weile viele Ratgeber dazu gelesen, bis ich gemerkt habe: Ich möchte die ganze Zeit Lösungen finden, aber es gibt gar nicht so wirklich die Probleme dafür. Das kann man dann auch irgendwann mal gehen lassen …



© Sarah Wijzenbeek
© Videos: Johannes Moser


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