Von Sophie Emilie Beha, 30.08.2018

Mission Marketing

Ist das ein kahlköpfiger Priester oder hat Cecilia Bartoli eine Chemo gemacht? Der Überraschungsmoment gelingt. In ihrem Konzeptalbum „Mission“ widmete sich die Star-Mezzosopranistin einem italienischen Kleriker, Komponisten und Spion.

Kompromisslos streckt Cecilia Bartoli dem Betrachter ein Kruzifix entgegen. Wie ein Schwert hält sie es vor sich. An der geballten Faust, die beinahe so groß ist wie das Gesicht und fast schon aus dem Bild herausragt, prangt ein Siegelring. Harte Schatten verstärken den durchdringenden Blick und das Gefühl, als befinde man sich kurz vor einer hochnotpeinlichen Befragung. Cecilia Bartoli inszeniert sich nicht nur als Agostino Steffani, Komponist des Albums, sondern sieht aus wie die Verkörperung von Inquisition und Exorzismus höchstpersönlich.

Der Inhalt auf dem Cover, zumindest teilweise. Denn Steffani (1654-1728) lebte nicht nur für die Kunst. Als hannoveranischer Kapellmeister und Gesandter wirkte er in diplomatischen Aufträgen und verwickelte sich in die Intrigen am Hof. Bartoli bezeichnet ihn sogar als Spion, da er politische Informationen zum Vorteil seines jeweiligen Auftraggebers sammelte. Sogar in den größten Adels-Skandal des 17. Jahrhunderts, die Königsmarck-Affäre, war er involviert: Graf Philipp Christoph von Königsmarck und seine Geliebte Sophie Dorothea korrespondierten mit verschlüsselten Botschaften, die Zitate aus seinen Opern verwendeten. Später versuchte Steffani als Bischof, das protestantische Norddeutschland zum Katholizismus zu bekehren.

Das Cover soll eine klare Botschaft vermitteln. Wie schon bei „Sacrificium“ (Decca, 2009), wo Bartolis Kopf auf einer geschlechtslosen Statue thront – zur Erinnerung an das Leid der unzähligen Männer, die für die Musik als Knaben zu Kastraten verstümmelt wurden. Wo aber ist der Missionar in der Musik? So vielseitig wie Steffanis Vita klingen auch die 21 Solostücke und vier Duos mit Philippe Jaroussky. Mit Koloraturen, die etwas an ein Maschinengewehr erinnern, ruft Bartoli in „Schiere invite, non tardare“ zur Plünderung Roms auf. Dagegen schmachtet sie in "Notte amica al cieco dio" aus der Oper "La libertá contenta" nach Liebe und erwartet in "Sposa, mancar mi sento" aus der Oper "Tassilone" den Tod. Zart und verletzlich schmiegt sich ihre Stimme an die sanften Gambenwogen und Cembaloschnörkel.





Der glatzköpfige Gruselpriester lässt sich also in der Musik nicht wiederfinden, dafür aber der komplexe Charakter von Agostino Steffani. Und für ihn missioniert Bartoli sogar mehrspurig: Neben der CD erschienen parallel eine DVD, ein iPad-Spiel und der Donna Leon-Roman „Himmlische Juwelen“. Doch bei all dem Wirbel rauscht das Schock-Cover in voller Fahrt an der Musik vorbei. Es mag vielleicht zum Hören anregen, aber leider nicht durch Inhalt, sondern Selbstvermarktung. So bleibt abschließend auch die Frage offen, wieso auf dem Cover nur Bartolis „Mission“ zu finden ist — der Name des mit so viel Engagement wiederentdeckten Komponisten aber ungenannt bleibt.


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Agostino Steffani

Mission

Cecilia Bartoli, Diego Fasolis, I Barocchisti, Coro della Radiotelevisione svizzera, Philippe Jaroussky

Decca

© Decca/Uli Weber


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