Von Konrad Bott, 28.09.2016

Es orgelt an der Küste

In Zadar gelangt man an altvenezianischen Trutzbauten und Ostblock-Platten vorbei zur Hafenpromenade. Plötzlich pfeift und tutet es sanft. Wo kommt das denn her?

Sag`s doch gleich! Wer hat schon wieder ein Stück über das Meer geschrieben?

Das große Wasser – Ursprung allen Lebens, Ort der Sagen, der Hoffnung, der Verzweiflung. Fisch- und Salzlieferant, letzter Trumpf im Ärmel aller Tourismusgesellschaften und zugleich globaler Müllschlucker: Das Meer. Seit seiner Existenz setzt sich der Mensch – mal mehr, mal weniger freiwillig – mit dem tiefen Nass auseinander. Abseits der praktischen Errungenschaften, wie Fischernetzen, Schiffen, Bohrinseln und Off-Shore-Windparks, sind seit Menschen Gedenken abertausende Kunstwerke zum Thema „Meer“ entstanden. Und ja, natürlich läuft`s hier wieder auf Musik hinaus. Sag`s doch gleich! Wer hat schon wieder ein Stück über das Meer geschrieben?

Nikola Bašić – Architekt der Meeresorgel

Niemand – der Spieß wurde 2006 umgedreht: Das Meer ist jetzt Musiker. Nicht mehr nur zuständig für Ambient-Klänge auf Entspannungs-CDs, sondern prominent auf der Meeresorgel in der kroatischen Küstenstadt Zadar. Oberflächlich weisen nur pflaumengroße Löcher im Betonboden auf die Konstruktion aus Kunststoffrohren und Resonanzräumen im Bauch der Uferpromenade hin. Architekt Nikola Bašić, der als Küstenbewohner schon immer von der Brandung fasziniert war, hat ein Instrument geschaffen, dessen Tongebung auf der Konfrontation des Wassers mit dem Land beruht: Die Wellen erzeugen beim Eindringen in die Rohre Luftdruck. Der Luftdruck wird zu einer relativ traditionell geformten, jedoch horizontal angebrachten Orgelpfeife geführt und erzeugt so den Ton. Dank eines beachtlichen Resonanzraums dringen durch die Schallöcher eigentümliche Klänge nach draußen, als bliese ein Riese auf einer Reihe halbleerer Glasflaschen.

Schallschlitze der Orgel

Um eine möglichst harmonische und wenig nervenaufreibende Klangkulisse zu gewährleisten, hat man sich beim Bau der Meeresorgel an der lokalen Gesangstradition orientiert: Die 35 Pfeifen sind in Fünfergruppen zusammengepackt, wobei alle in der Tonlage einer männlichen Stimme angesiedelt sind. Abwechselnd erklingen – vereinfacht – zwei Dur-Akkorde, die aufeinander zustreben. Und obwohl selten erst der eine, dann der andere volle Akkord zu hören ist, ergibt sich so ein im wahrsten Sinne des Wortes harmonisches Zusammenspiel. Zugegeben, manchmal überschlagen sich die Pfeifen ein wenig, aber dafür sollte man den rabiaten Musiker verantwortlich machen.



© Konrad Bott
© Croatian World Network


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