Von Jesper Klein, 17.04.2018

Vermitteln, nicht verehren

Beethoven überall! Im Beethoven-Haus in Bonn dreht sich alles um den berühmtesten deutschen Komponisten, der im Jahr 2020 seinen 250. Geburtstag feiert. Doch in seinem Geburtshaus steckt mehr als nur ein Museum. Ein Rundgang.

Am 21. April erhält Igor Levit im Beethoven-Haus in Bonn den Beethoven-Ring. Wo auch sonst sollte man dem Pianisten die Auszeichnung verleihen, wenn nicht hier? Hinter dem unscheinbaren Eingang in der Bonngasse verbirgt sich das Geburtshaus des Komponisten. Wer durch dessen Räume spaziert, merkt schnell: Beethoven ist hier allgegenwärtig. Gemälde, Büsten, Manuskripte, Instrumente (kurios: eine als Spazierstock getarnte Klarinette!), Brillen. Es wird einem fast schwindelig. Doch was für den Beethoven-Fan paradiesisch anmutet, birgt auch die Gefahr, dass der Mensch Beethoven hinter dem Mythos verschwindet.

Liebling der Massen

Kein Komponist hat in Deutschland eine so große Fangemeinde wie Beethoven, die Bahn wollte sogar einen ICE nach ihm benennen. Beethoven zu vermitteln, das scheint easy. In Bonn hält man von Glorifizierung wenig. „Kult und Legendenbildung sind Dinge, die wir hier nicht unterstützen“, sagt Malte Boecker, der Direktor des Hauses (hier im niusic-Interview). Dabei könnte es sich ein Beethoven-Museum einfach machen. Schließlich versprüht der Ort, an dem der Meister himself geboren wurde, durchaus die Aura der Authentizität.

Gegen die Taubheit: Beethovens Hörrohre

Aber Beethoven wird hier nicht in den Himmel gehoben, sondern den Besuchern zunächst einmal eine Fülle an Informationen und Objekten präsentiert. Ein Faksimile des Heiligenstädter Testaments zum Beispiel – hier schilderte Beethoven erstmals offen sein Gehörleiden. Daneben liegen die sogenannten Hörrohre. Von ihnen versprach sich der Komponist viel, womöglich mehr, als sie tatsächlich genützt haben. Schön ist, dass die Besucher anhand von Audio-Beispielen nachempfinden können, wie Beethoven seine Werke bei zunehmender Taubheit hörte.

Haus mit Geschichte

Der Verein „Beethoven-Haus“ wurde 1898 von zwölf Bonner Bürgern gegründet, um das Geburtshaus Beethovens als Gedenkstätte zu erhalten. In seiner Geschichte finden sich zahlreiche berühmte Namen. Der Geiger Joseph Joachim war Ehrenpräsident, zu den Ehrenmitgliedern zählen unter anderem Johannes Brahms, Clara Schumann, Giuseppe Verdi und Otto von Bismarck. Heute beherbergt das Haus die größte Beethoven-Sammlung der Welt.

Neben dem Museum betreibt das Beethoven-Haus auch Forschungsprojekte mit einem gewissen Nerd-Faktor. So dienen ein historischer Zeichenuntersatz und die Intensität der Tinte als Indizien, um den Kompositionsprozess zu rekonstruieren. Und eine grafische Musikanalyse visualisiert die Tempoverläufe verschiedener Interpretationen der „Appassionata-Sonate“.

Florestan, Rocco, Leonore und Pizarro (v.l.n.r.)

Nicht alles, was sich das Beethoven-Haus zur Vermittlung ausdenkt, funktioniert einwandfrei. Die virtuelle Inszenierung von Beethovens „Fidelio“ im Kellergewölbe bietet eine 20-minütige Fassung der Oper und soll Beethoven ins 21. Jahrhundert übersetzen. Der Zuschauer kann hier selbst Regie führen und die Protagonisten an vier Interaktionssäulen im Raum bewegen. Aber warum muss Leonore in der Kerkerszene immer schützend zwischen Florestan und Pizarro stehen?

Zum Geburtstag noch mehr Beethoven?

Im Jahr 2020 jährt sich Beethovens Geburtstag zum 250. Mal und ganz Deutschland wird auf Bonn schauen. Also noch mehr Beethoven? Nicht für Boecker: „Das Jubiläum wird sich nicht nur um Beethoven drehen, sondern um Grundsatzfragen – das Verhältnis von Mensch und Natur zum Beispiel oder die Zukunft der klassischen Musik in der Gesellschaft.“ Ideen dazu gibt es reichlich, dies bewiesen die Verantwortlichen bereits bei der Beethoven-Woche (niusic berichtete). So soll zum Weltumwelttag die Pastoral-Sinfonie erklingen. Auch das Haus wird sich verändern, bis zum Jubiläumsjahr soll das Museum vollständig umgestaltet werden. 2,4 Millionen Euro öffentliche Gelder sind bereits zugesagt, 600.000 Euro muss das Haus selbst aufbringen. Auf der Berühmtheit des bekanntesten Sohnes der Stadt ruht man sich hier in Bonn nicht aus.

© Beethoven-Haus Bonn
© Dombois


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