Von Jonas Zerweck, 07.09.2017

Liebe, frisch gepresst

Kann man Liebe kaufen? Zumindest kann man probieren, sie zu verkaufen. Anna Netrebko und ihr Mann Yusif Eyvazov machen ein popklassisches Angebot im Duett – dabei singen sie kaum zusammen.

Liebe gibt es nun in gepressten Scheiben frisch aus dem Plattenregal. Anna Netrebko und ihr Mann Yusif Eyvazov verkaufen sie unter dem Namen „Romanza“. Sie haben nette Fotos machen lassen und verkündet, dass das Album sehr persönlich sei – außerdem hat die Musik nicht irgendjemand, sondern ein enger Freund des Paares komponiert.
Leider aber hat Igor Krutoy, ein berühmter Popschnulzen-Konstrukteur aus Russland, eine völlig austauschbare Musik gebastelt, über die das Opernpaar seine Melodien schmachtet. Sie folgt gängigen Mustern: intimer Klaviersound, wenn die Liebe ganz verletzlich anmutet; sanfte Streicher, bei fehlender klanglicher Weite; große Trommeln für die tiefe Bedeutung des Gefühls Liebe, dazu gerne Blechbläser, die auf Heroisches verweisen, bis schließlich ein Harfenarpeggio 20 zur letzten Refrainwiederholung 252 überleitet. Man kennt das – aus jeder Standardfilmmusik.

  1. Auseinander mit euch! Ein Akkord wird zu einem harfenartigen Geklirr zerlegt. Ursprünglich war das eine Verzierung, die der Interpret heraufbeschwor, wie sein gusto es wollte. Im Lauf der Zeit bestimmte der Komponist im Notentext, wann arpeggiert wird. Sieht fast aus wie Kunst, diese schwarze, horizontale Schlängelei. (CW)

  2. Der Mensch ist ein Gewohnheitswesen und mag es, wenn bekannte Dinge wiederkehren. Daher gibt es den Refrain, von altfranz. „wiederholen“. In regelmäßigen Abständen schafft er zwischen den neuen Strophen etwa eines Liedes den Eindruck der Orientierung – in Klassik ebenso wie in der Popmusik. (AV)

Man kennt das – aus jeder Standardfilmmusik.

Darüber dann also die beiden Liebenden. Netrebko produziert, wie zu erwarten, gesanglich souverän und elegant eine Menge Ohrwürmer. Ihr Mann dagegen kämpft zwischendurch etwas mit den hohen Tönen (beispielsweise am Schluss von „Gioia“). Die stimmlichen Qualitätsunterschiede zu seiner Frau machen es noch deutlicher. Vermutlich deshalb singt Netrebko von den achtzehn Stücken des Albums elf alleine, er dagegen nur vier, und in gerade mal drei hört man beide gemeinsam. Für ein erstes gemeinsames Duettalbum über die gegenseitige Liebe ist das ziemlich unausgeglichen.
Doch schlimm ist das letztendlich auch nicht, denn für die Texte wurden sowieso nur leere Wortpakete geschnürt und in einer Reihe aufgestellt. Beispielsweise für den Refrain im Duett „Odna Lyubov“ (dt. „Eine einzige Liebe“): „Eine Liebe, / zwei Schicksale, / eine Liebe – kein Verrat, kein Vergessen! / Aug in Aug, / Hand in Hand. / Die Musik allein vermählt uns.“ Wer nach einer vermutlich vollständigen Sammlung sinnlich klingender Liebesphrasen aller Art sucht, macht immerhin mit dem Booklet nichts falsch.



Das Album „Romanza“ wäre nicht berichtenswert, beträte Netrebko mit ihm nicht zum ersten Mal ein Terrain abseits der Klassik. Das ist per se nichts Schlechtes, ein so herzlich unpersönliches Liebesalbum jedoch schon. Das verändert vor allem die Marke Netrebko, die nun nicht mehr nur für Qualität wie die der Salzburg-Aida steht. Ob sich die Sortimentserweiterung zumindest finanziell lohnt, werden die Verkaufszahlen zeigen.


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Igor Krutoy

Romanza

Anna Netrebko, Yusif Eyvazov

Panorama

© Vladimir Shirokov/Deutsche Grammophon


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