Der kleine Fritz hatte es wirklich nicht leicht. Dass er als preußischer Kronprinz die Künste heiß und innig verehrte, missfiel dem Vater, König Friedrich Wilhelm I. Schöngeistige Betätigungen waren diesem zuwider, er stampfte demonstrativ die Hofkapelle seines Vorgängers ein. Doch der Sohnemann wusste sich zu helfen: Erst schaffte er sich eine heimliche Bibliothek an, dann begann er mit 15 Jahren den Flötenunterricht bei Johann Joachim Quantz. Ebenfalls heimlich. Als er 1740 den Thron besteigt, rauschen ihm die Ideale der Aufklärung durch Kopf und Herz. Es lebe die Empfindsamkeit!
Auf ihrer neuen CD haben Flötistin Linde Brunmayr-Tutz und Cembalist Ulrik Mortensen empfindsame Flötensonaten von vier Komponisten eingespielt, alle verbandelt mit Friedrich dem Großen: Hofcembalist Carl Philipp Emanuel Bach, des Königs Flötenlehrer Quantz und heute weit weniger bekannte, wie Hofkapellmeister Johann Philipp Kirnberger und Franz Benda, Konzertmeister der Hofkapelle. Denn während Johann Sebastian Bach um 1740 noch an der Vollendung seiner Fugen 47 werkelt, wollen sich diese Komponisten endlich aus dem barocken Korsett der Gelehrsamkeit befreien. Natürlichkeit, Einfachheit ist nun das Credo. Auch bei Linde Brunmayr-Tutz: Sie spart mit affektierten Gesten, zeichnet weite Linien (nur gelegentlich durch übertrieben starke Akzentuierungen unterbrochen) und entlockt ihrer Traversflöte einen warmen, vibratoarmen Klang. Im ersten Satz von Quantz’ Sonate G-Dur „Presto ma fiero“ rattern die Sechzehntelketten, als wäre es ein Leichtes. Cembalist Lars Ulrik Mortensen ist ein sensibler Begleiter, da passt jedes Crescendo 37 , jedes Ritardando. Man merkt: Die beiden Musiker haben sich gemeinsam durch die Notenschrift gefuchst.
Die Dynamik des Unersättlichen: die Kunst der Lautstärke. Crescendi sind wohl die bekannteste Form der Dynamik, beziffert wird der ansteigende Klang mit einem langgezogenen Größerzeichen. Eins der schönsten Crescendi hat Haydn in seiner Schöpfung geschrieben, da will man unendlich viel mehr vom Sonnenaufgang. (CW) ↩
Was für eine barocke Rollenverteilung! Der Dux schreitet ins Stück, er übernimmt die Führung, bis der Comes sein Thema aufnimmt und sich mit der vorgestellten Melodie unter ihn schichtet, während der Dux fortfährt. Beide können nicht ohne einander und nähren sich vom anderen. (CW) ↩
Von todesbetrübt bis himmelhochjauchzend: In einem empfindsamen Stück tummeln sich allerlei Gefühlsregungen. Um ihre Wirkung ganz auszureizen, stellen die Komponisten möglichst unterschiedliche kontrastierend nebeneinander. Carl Philipp Emmanuel Bach treibt es damit auf die Spitze. Ständig stolpert man in seinen Stücken über Brüche, ungewöhnliche Sprünge und Wendungen. Brunmayr-Tutz und Mortensen lassen sich nicht immer auf diese Kontraste ein, zeigen wenig Kante. So überhört man in Bachs Sonate a-Moll allzu leicht, wie das Cembalo 165 nicht mehr nur den Charakter der Flötenmelodie unterstreicht, sondern kommentierend ein und dieselbe Melodie in einen völlig anderen harmonischen Kontext stellt. Oder wie Bach am Ende einer säuselnden Phrase die eigene Aussage zu verspotten scheint, indem er den Hörer nicht mit der passenden Dur-Auflösung zufrieden stellt, sondern einen Moll-Akkord erklingen lässt. Ein paar Jahrhunderte später empfinden unsere umgewöhnten Ohren bei dieser Musik viel zu schnell nur noch Schönklang.
Das Cembalo (engl. Harpsichord) war das Klavier des 17. und 18. Jahrhunderts. Hier werden keine Saiten geschlagen, stattdessen wird liebevoll an ihnen gezupft! So entsteht ein sanfter Klang mit vielen Obertönen. Einige schwere, deutsche Cembalomodelle konnten allerdings auch hart und wuchtig klingen. Viele heutige Klavierklassiker wurden ursprünglich für Cembalo geschrieben: beispielsweise die Goldberg-Variationen. (MH) ↩
Doch der letzte Titel auf der CD, der dritte Satz aus C.P.E. Bachs Sonate D-Dur, überrascht. Das „Allegro“ suggeriert Zuversicht, doch langsam schleicht sich Wehmut ein. Erst zögernd, dann mit einem tiefen Seufzer inne haltend. Bis sich die Melodie abermals in Triolen 213 aufschwingt, so als hätte sie sich auf ihr eigentliches Ziel besonnen. Da spricht die Musik. Bitte mehr davon!
Die Triole ist ein Drilling. Wo sie auftritt, wird ein Notenwert in drei gleichlange Teile geteilt. So spielt man statt einer Viertelnote eine Achteltriole. Eine Klammer hoch 3 hält die Geschwister zusammen. Im Barock brachten die Triolen Pepp in den Tanz, im Jazz sorgen sie für den richtigen Swing. (AJ) ↩