Von Christopher Warmuth, 08.04.2016

Onlinebiotop

Die Wiener Staatsoper, das Royal Opera House London, die Komische Oper Berlin und das alles im heimeligen Wohnzimmer. „The Opera Platform” hat die virtuellen Hallen vor einem Jahr geöffnet. Das Theater der Zukunft?

Fünfzehn renommierte Opernhäuser kooperieren mit arte und „Opera Europa”. Eine hochglänzende Internetseite mit allem, was das Musiktheaterherz begehrt: durchschnittlich eine neue Oper pro Monat im Stream, Untertitelung in sechs Sprachen, Informatives und Lebendiges von der Hinterbühne und spannendes Kontextwissen aus der Musikgeschichte.

Finanziert wird der Luxus vom Programm „Kreatives Europa” der Europäischen Kommission. Der Inhalt wird von den fünfzehn Projektpartnern gestellt. Vielerorts munkeln und prophezeien Kulturschaffende, dass das Internet den schönen Künsten den Garaus macht. Wandert die Liveperformance ins Netz? Klar ist, dass eine Oper im Stream nicht vergleichbar ist mit dem realen Besuch in einem Theater. Es gibt Unterschiede zwischen Lautstärke, die man vor dem Screen nicht simulieren kann. Kreischt sich eine Tosca durch die Wirrungen und Irrungen ihres Schicksals, ist das laut, aber es bekommt eine andere Wucht, wenn man in Reihe achtunddreißig kauert und dennoch von der Stimme in den Samtsessel gedrückt wird.



Hinzu kommt allerlei Nebensächliches, was den Besuch komplettiert: Die Melange aus Kölnisch Wasser und anderen süßlichen Parfüms, das gesellschaftliche Event und die sehr eigenen Beobachtungen, die man bei einem Opernbesuch im Biotop des Musiktheaters mitnimmt, bleiben aus. Aber auch Vorteile hat ein ruckelfreier Stream, denn die Qualität der Opernaufführungen, die bei theoperaplatform.eu online gehievt werden, sind filmisch auf höchstem Niveau. Prächtige Farben, der Blick in den Orchestergraben und verliebte Detailaufnahmen, die beim realen Besuch unsichtbar bleiben.

Zudem ist all das kostenlos, eine weite Reise nicht nötig, und man kann sich aus dem Kernrepertoire in eine Welt des Neuen klicken. Im April ist das Stream-Highlight definitiv die zeitgenössische Oper des norwegischen Komponisten Rolf Wallin, der mit dem britischen Theaterautoren Mark Ravenhill „Elysium” geschaffen hat. Eine Produktion der Osloer Den Norske Opera & Ballett. Die Handlung spielt in der Zukunft, nur vierzig überlebende Menschen auf einer Insel und die totale Überwachung. All das ist nur einen Klick entfernt.



© arte, alle Screenshots wurden bei http://www.theoperaplatform.eu/de aufgenommen.


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