Von Silja Vinzens, 24.04.2020

Zeit für den höchsten Trumpf

Intendant:innen aus ganz Deutschland formieren sich in der Corona-Krise zum Forum Musik Festivals und haben der Bundesregierung ein Positionspapier geschickt, das es in sich hat. Sie machen deutlich, dass sie sich von der Politik nicht hinter den Vorhang in die Unsichtbarkeit schieben lassen werden.

Gerade sah es schon so aus, als würde sich die Musikwelt in einem Jammertal aus Absagen geschlagen geben und dort den neuen Plot für große Dramen stricken. Doch jetzt geben 50 Musikfestivals mit einem deutlichen Positionspapier an die Bundesregierung ein klares Zeichen: Wir sind noch da. Endlich!

Denn jetzt ist nicht die Zeit, sich in der neuesten Ellbogen-Technik zu üben, sich darin zu messen, wer den kostenlosesten und längsten Livestream am schnellsten online jagt oder eine von tausend kleinen Petitionen zu teilen, die dann ein paar hier und ein paar da unterschreiben. Jetzt ist die Zeit für den höchsten Trumpf der Musiklandschaft in Deutschland. Denn auch, wenn viele Künstler:innen seit Wochen keine Honorare mehr sehen, so sind es doch Hunderte Musiker:innen, die sich jetzt Seite an Seite stellen könnten. Die Leiter:innen der Musikfestivals haben das verstanden.

Innerhalb von nur sechs Tagen haben sich 50 Festivals, große und kleine, zusammengetan und das Forum Musik Festivals aus dem Boden gestampft. Mehrere Zoom-Meetings und viele Stunden Arbeit später, konnte das fertige Papier mit elf akuten Forderungen veröffentlicht und Richtung Berlin abgeschickt werden. Es geht um Dinge, wie „Klare Sprache in den Verfügungen“ der Politik, „Gleichbehandlung von Kultur mit Sport, Religionsgemeinschaften und Wirtschaft“ und eine „Faire Behandlung für alle Festivals“.

„Es sind vor allem freiberufliche Künstler:innen und freie Ensembles, die unsere Festivals zum Strahlen bringen.“

Forum Musik Festivals

In beeindruckender Deutlichkeit setzen sich die Intendant:innen und künstlerischen Leiter:innen für ihre Künstler:innen ein. Sie schreiben: „Es sind vor allem freiberufliche Künstler:innen und freie Ensembles, die unsere Festivals zum Strahlen bringen. Die Schäden gehen aktuell einseitig zu Lasten dieser Künstler:innen. Wir fordern, dass auf allen Ebenen Ausfallhonorare sowie bereits entstandener Aufwand für Vorbereitung und Reisekosten als zuwendungsfähig anerkannt und damit auch ausgezahlt werden können.“ Denn viele Festivals bangen derzeit noch, dass sie bei Zahlungen ohne die vereinbarte Gegenleistung ihre Gemeinnützigkeit verlieren.

Die Unterzeichner:innen erinnern ihre Adressaten auch daran, dass die Musiklandschaft kein unerheblicher Wirtschaftsfaktor ist. So brächten allein die rund 600 Musikfestivals in ganz Deutschland einen Gesamtumsatz von etwa 400 Millionen Euro im Jahr. Gleich zu Beginn nennen die Festivalmacher:innen außerdem den einen Punkt, der Anreger für alle folgenden Taten sein sollte: „Musikfestivals sind ein unverzichtbarer Teil des menschlichen Zusammen- und Kulturlebens. Gemeinsam und gleichrangig mit Konzert- und Opernhäusern, Orchestern und Chören gestalten sie das weltweit bewunderte Musikland Deutschland.“

Das Forum Musik Festivals könnte mit seinem Schulterschluss zur Wiege der oft so vermissten Lobby in der Branche werden. Frei nach dem Musketier-Motto: „Einer für alle und alle für einen.“ Es gibt genug Menschen, die die Musik zu ihrem Beruf gemacht haben und dafür leben und einstehen. Bühne frei also, nicht nur für starke Töne, sondern für die Sprache, die Politiker:innen immer noch am besten verstehen: klare Worte!

Bleibt zu hoffen, dass die Politik diese dann auch in Taten umsetzt und nicht nur rein symbolisch reagiert. Denn wenn auch der höchste Trumpf das Spiel nicht wenden kann, geht es bald um weit mehr als die Vielfalt unserer Kulturlandschaft: Es geht um Existenzen.

Das Positionspapier

(c) Noah Vinzens


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