Von Anna Vogt, 06.02.2017

Mit dem Holzhammer

Indianerkostüme, Kriegsbemalung und Friedenspfeifen: In einer Pariser Inszenierung von Jean-Philippe Rameaus Ballett-Oper „Les indes galantes“ wurde 2003 tief in die Klischee-Schublade gegriffen. Winnetou lässt grüßen!

Im Graben historisch informiert, auf der Bühne Klischee pur. Falsch verstandene Werktreue?

Ob William Christie und sein Ensemble wohl sehr gelitten haben? William Christie muss einfach gelitten haben! Die Musiker von Les Arts Florissants haben immerhin wohl nicht allzu viel vom Treiben auf der Bühne gesehen. Hoffen wir es zumindest. Ihrem historisch informierten Spiel merkt man keine Ablenkung an. Wenigstens das konnte die „Inszenierung“ nicht ruinieren. Die 2003 an der Pariser Opera Garnier herausgebrachte Produktion von Rameaus „Galanten Fernen“ (Regie: Andrei Serba, Choreografie: Blanca Li) ist gewöhnungsbedürftig. Und das ist wirklich sehr vorsichtig ausgedrückt! Ein besonderes Highlight dieser „Ballett-Oper“ von 1735 ist der „Tanz der Wilden“, die neben den Inkas und anderen Rameau völlig unbekannten ethnischen Gruppen einen Gastauftritt in dieser Oper haben. Und da wurde in der Pariser Produktion ganz tief in die Klischee-Trickkiste gegriffen: Tanzend werden da die Indianer-Trommeln geschlagen, kokett baumelt bei einer leicht bekleideten Indianer-Frau die Friedenspfeife aus dem Mundwinkel, während die mit imposanten Hörnern und langen Bart-Masken verkleideten Tänzer im Hintergrund Bewegungen ausführen, die wohl irgendwas zwischen archaisch und bedrohlich wirken sollen. Das muss einfach ein Scherz sein. Oder etwa nicht?



Auf jeden Fall bleibt man als Zuschauer ziemlich ratlos, wenn nicht gar fassungslos zurück nach dieser Winnetou-Hommage, wohlgemerkt aus dem 21. Jahrhundert. Dabei liegt das Problem nicht nur in dem, was hier auf der Bühne passiert. Schon das dramaturgische Grundkonzept dieser „Ballett-Oper“, das einer neu entflammten Mode der Barockzeit huldigte, ist mehr als absurd: Da werden die „Tänze der Wilden“ eingebettet in eine hoch artifizielle Kunstmusik. Von Indianern – oder politisch korrekt: Indigenen Völkern – hatte man damals in Frankreich mehrheitlich nur Abbildungen gesehen, so dass man Rameau wohl schwerlich fehlendes ethnologisches Backgroundwissen vorwerfen kann. Zu seiner Zeit, in einer ersten Welle des „Exotismus“, nahm man zum Ergötzen des Publikums einfach alles, was exotischen Kitzel versprach, und verwurstelte es für die Bühne. Kein Problem.
Dass aber fast 300 Jahren später Regisseure und Choreografen einfach auf diesen plakativen Zug aufspringen und Rameaus „Wilde“ mit den platten Insignien von Friedenspfeife, Trommel und mit Kriegszeichen bemalter Haut in ein Indianer-Klischee des 19. Jahrhunderts übersetzen, kann man eigentlich nur irgendwo zwischen Naivität, Unreflektiertheit und Rassismus verorten. Es gibt wohl kein besseres Beispiel für falsch verstandene Werktreue als diesen Indianer-Klamauk, den man als Karikatur, als ironische Brechung vielleicht ertragen könnte. Doch war es so gemeint? Leider wohl eher nicht. Es lebe das moderne, reflektierte Musik-Regietheater!

© Rene Schwietzke/flickr.com/CC BY 2.0
© Screenshot: YouTube


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