Von Jesper Klein, 09.11.2017

Rebellisch, bitte!

Weichgespülte Klassik ist nichts für Jesper Klein. In seiner Playlist dreht sich alles um Herzens-Aufruhr, Rebellion und Revolution. Von Beethoven bis zu den Beatles.

Musik und Revolution, das geht auf ganz verschiedene Art und Weise zusammen. Schließlich verfügen nicht nur die meisten politischen Umwälzungen über ihren eigenen Soundtrack, auch Komponisten und Interpreten können sich in vielfältiger Form gegen Bestehendes zur Wehr setzen. Wie das klingen kann? So zum Beispiel!



Los geht es gemäßigt mit Nina Simones Jazz-Nummer Revolution, es ist die groovige Antwort auf den gleichnamigen Beatles-Song aus dem Jahr 1968. Perfekt für einen unbeschwerten Start in den Tag und unter den zahlreichen Songs mit diesem Titel vielleicht der beste.

Wesentlich komplexer wird es beim amerikanischen Komponisten Frederic Rzewski. Sein Opus Magnum The People United Will Never Be Defeated ist zugegeben streckenweise ein schwerer Brocken. In 36 Variationen wird das Thema des spanischen Protestliedes „El pueblo unido, jamás será vencido“ (Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden) auseinander genommen, weiter gesponnen und schließlich wieder zusammengesetzt. Ein Erlebnis, ganz besonders mit Igor Levit. Da das Werk in seiner Gänze den Umfang dieser Playlist sprengen würde, hier nur ein paar Highlights. Nichtsdestotrotz: Wer sich durch das gesamte Werk durchbeißt, wird es nicht bereuen!

Dramatisch und innovativ

Weiter geht es mit der Revolutionsoper schlechthin: Ludwig van Beethovens Fidelio. Besonders dramatisch ist die düstere Bass-Arie „Ha, welch ein Augenblick!“. Da ist der Name Programm. Toll auch: die Wiener Philharmoniker unter Leonard Bernstein. Ebenso revolutionär, allerdings durch die Hintertür, geht es im ersten Satz von Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert in Es-Dur zu. Ohne Vorwarnung mischt sich das Klavier schon in den ersten Takten ein, ohne die sonst obligatorische Exposition 243 des Orchesters abzuwarten. Das gab es so zuvor nicht! Dass es sich um eines der schönsten Mozart-Konzerte handelt, zeigt die zeitlose Aufnahme mit Alfred Brendel.

  1. Damit geht alles los: In der Exposition zeigt der Komponist erst mal seine Karten. Zwei Themen nämlich, die oft wie Ying und Yang sehr unterschiedlich sind und doch irgendwie zusammengehören. Damit sie nicht allzu hart aufeinanderprallen, gibt es auch noch Überleitungen oder Zwischenspiele. So bildet die Exposition den ersten großen Teil der sog. Sonatenhauptsatzform, an der fast kein Komponist je vorbeigekommen ist. (AV)

„Wer mit 19 kein Revolutionär ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch ein Revolutionär ist, hat keinen Verstand.“

Theodor Fontane

Nach diesen beiden Klassikern braucht es ein wenig Mut zum Ungewöhnlichen. Die Mezzosopranistin Theresa Kronthaler wagt gemeinsam mit ihrem Trio, was eigentlich zum Scheitern verurteilt ist. Barockarien neu instrumentieren. Mit dabei: eine E-Gitarre. Zugegeben, bei der Idee stellen sich zunächst alle Nackenhaare auf, das könnte furchtbar werden! Doch bei aller anfänglichen Skepsis gebe ich zähneknirschend zu: Es funktioniert – besonders gut bei Henry Purcells Arie When I Am Laid In Earth aus Dido and Aeneas.

Zeit für ein wenig Geschichte: Zum zehnten Jahrestag der Oktoberrevolution machte Dmitri Schostakowitsch 1927 etwas ganz Bemerkenswertes. In seiner 2. Sinfonie versteckte er als Gruß an die Aufstände keck ein kleines „Happy Birthday“. Auch sonst ist die unkonventionelle Sinfonie ein verblüffendes Werk, an das zum 100. Jubiläum der Oktoberrevolution gerne erinnert werden darf.

Das Ende von gut einer Stunde Musik machen zwei Klassiker aus ganz unterschiedlichen Sphären. Frédéric Chopins Revolutionsetüde hat man zwar schon zigmal gehört, mit so einem soghaften rhythmischen Drive wie bei Murray Perahia hört man sie aber auch gerne noch einige Male mehr. Und zum Schluss die Beatles! Mit All You Need Is Love erfährt diese aufwühlende Playlist nicht nur ein versöhnliches Fade-Out, obendrauf gibt es auch noch ein Marseillaise-Fragment. Vive la révolution!

© tetedelacourse/flickr.com/CC BY-SA 2.0
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© Jesper Klein


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