Von Konrad Bott, 31.08.2016

Pssst! Teddy hört zu ...

Stücke, die mit wenig Aufwand viel sagen, mag Lars Vogt am liebsten. Nun hat er eine CD für Kinder aufgenommen, die auch Erwachsene begeistert.

Wer hört sich sowas schon aus eigenem Antrieb an?

Sich wiederholende Passagen, einfache Harmonik, technische Belanglosigkeit – so sehen im Allgemeinen Klavierstücke für Kinder aus. Wer hört sich sowas schon aus eigenem Antrieb an? Diese Frage stellt sich, wenn ein namhafter Pianist wie Lars Vogt sich ins Studio begibt, um eine CD mit Kinderstücken einzuspielen. „Ich habe immer Spaß an Stücken gehabt, die mit wenigen Noten viel sagen, und nicht an denen, die mit vielen Noten wenig sagen.“ So äußert sich Vogt im Booklet zu der CD „For Children“ und sagt damit – Voilà! – fast schon alles. Drei Zyklen hat sich der Pianist vorgenommen, um vermeintlich reinen Kinderstücken bei erwachsenen Hörern Aufmerksamkeit zu verschaffen. Robert Schumanns „Album für die Jugend“ und Béla Bartóks „Für Kinder“ sind auszugsweise vertreten, während der Miniaturzyklus „12 Stücke für Pianisten und andere Kinder“ von Thomas Larcher komplett zu hören ist. Im Laufe des Albums wird einem klar, dass die Stücke zwar einfach klingen, aber emotional überraschend intensiv wirken.

Etwas sehr minimalistisch klingt anfangs das Werk Thomas Larchers: ein wenig Arvo Pärt hier, ein wenig Yann Thiersen da. Lars Vogt arbeitet sich mit großer Ernsthaftigkeit durch die anrührenden, zum Teil fast poppigen Tongedichtchen wie „Trauriger Gelber Wal“, „Als ich meinen lustigen grünen Hund verlor“ und „Tritt nicht auf den Regenwurm“. Durch seinen einfühlsamen Anschlag und seinen ausgeprägten Sinn für Pausen schickt er den Hörer auf die Reise durch Larchers zerbrechliches Wunderland. Es wird klar, weshalb Larcher den Zyklus für „Pianisten und andere Kinder" geschrieben hat: Nur wer seine Vorstellungskraft und seine unverdorbene Kreativität auszuschöpfen in der Lage ist, kann den bunten Stückchen glaubhaft Leben einhauchen. Kinder und Künstler zuerst! Robert Schumanns „Album für die Jugend“ schafft dann, was den zwölf Larcher-Miniaturen verwehrt bleibt: zu demonstrieren, dass Übungsstücke für Anfänger unter den Fingern eines Vollprofis auch denen gerecht werden, die nach Gehaltvollerem gieren.

Ruppige Rhythmen und wundervoll naive Melodien

Die Bedrohlichkeit von „Knecht Ruprecht“, die Melancholie vom „Ersten Verlust“, der Triumph des „Reiterstücks“ und vor allem die innige Wärme des Unbetitelten „No. 30 – sehr langsam“ werden für wirklich jeden spürbar. Das Kind fürchtet den grimmigen Nikolausbegleiter mit der Rute schon ohne Vertonung. Als erwachsener Hörer kann man Dank Vogts Interpretationsgabe die Klänge abstrahieren und sie mit anderen, vielleicht persönlicheren Wahrnehmungen konfrontieren. So schafft es der Pianist mit sparsamen Mitteln, die komplexe Gefühlswelt der Erwachsenen ebenso auszuleuchten, wie die der Kinder. Mit Bartóks kräftigen Kompositionen bekommen all die träumerischen Klänge einen schönen Gegenpart. Hier kommt auch derjenige auf seine Kosten, der sich im Klavierunterricht früher immer gefragt hat, wann er denn endlich mal richtig in die Tasten greifen dürfe. Mit ruppigen Rhythmen und wundervoll naiven Melodien spielt Lars Vogt sich noch einmal richtig frei. Dabei ist bemerkenswert, dass jeder noch so kräftige Ton von kindlichem Geist geprägt ist, nach Harmonie verlangt. Nach dem letzten Bartókschen Aufbäumen kann man zufrieden feststellen: Lars Vogts „For Children“ ist ein gelungenes Album für alle, die sich am Einfachen erfreuen können und ihrer Fantasie gerne freien Lauf lassen.




Béla Bartók, Robert Schumann, Thomas Larcher

For Children

Cavi-Music


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