Von Christopher Warmuth, 10.08.2016

Bunte Tüte

Andrè Schuen ist ein lässiger Typ, tiefenentspannt, und er erdet sein Umfeld mit jedem Atemzug. Jetzt erhält er einen ECHO Klassik: „Nachwuchskünstler des Jahres“ für seine Lied-Platte mit Schumann-, Wolf- und Martin-Liedern. Privat hört Andrè Schuen am liebsten: Alles.

Andrè Schuen ist nicht gerade der entscheidungsfreudigste Hörer, aber sicher ein sehr leidenschaftlicher. Er spart nicht mit Superlativen, eigentlich sind alle Titel auf seiner Liste für ihn das Beste vom Besten.

Led Zeppelin und Skunk Anansie sind Überbleibsel von seiner Schulzeit: „Die schroffen Gitarrenklänge und die Stimme von Robert Plant beamen mich zurück aufs Gymnasium, und die verschiedenen Stile von Skunk Anansie beuteln mich jedes Mal. Manche Lieder sind sehr hart, andere wieder total sanft, und das ist einfach eine fabelhafte Stimme mit einer breiten Farbpalette", sagt Schuen. Tony Bennett ist ein Tipp von Andrès Lied-Begleiter Daniel Heide. Die beiden schicken sich wöchentlich ihren neuen Lieblingssong, den sie dem anderen nicht vorenthalten wollen. „Das erste Album von Tony Bennett ist meine Autofahr-CD Nr. 1. Ich glaube, ich habe sie jetzt bestimmt über hundert Mal gehört, und es wird einfach nicht langweilig!", so Schuen.
Bei Carlos Gardel kann Andrè nicht still sitzen: „Das ist nicht nur musikalisch leidenschaftlich, ich tanze sehr gerne Tango und diese Kombination ist kaum zu übertreffen". Man kann sich förmlich vorstellen, was im Hause Schuen los gewesen sein muss. Seine beiden Schwestern sind auch Musikerinnen geworden, und so kommt es zur Werbung in eigener Sache, Ganes ist der Name des Trios, das die besagten Schwestern mit Andrès Cousine gegründet haben. „Ich bin verdammt stolz auf die drei! Und es ist ein ziemliches Privileg, einfach ein Platte einzulegen und meine Familie in meiner Muttersprache Ladinisch singen zu hören!".
Natürlich fehlt der klassische Gesang nicht, die Auswahl fiel auf zwei große Vorbilder von Andrè: Bryn Terfel und Piero Cappuccilli. Terfel ist für Schuen das Paradebeispiel eines „ausgewachsenen Heldebartions" und Cappuccilli gerade für das italienische Fach prägend. Die Arie Nemico della patria aus der Oper Andrea Chénier ist ein Wunschstück von Andrè, die er selbst mal auf der Bühne singen will, genau so, wie Jeletzkis Arie Vy tak pechalny aus Pique Dame, die „vielleicht schönste Bariton-Arie der gesamten Opernliteratur. In einem Sommerurlaub habe ich die CD von Dmitri Hvorostovsky rauf und runter gehört, am Strand, spazierend, einfach überall. Und immer habe ich mir gedacht, dass ich die unbedingt singen will. Kaum wieder zu Hause und im Büro einer Intendanz zum Gespräch über die nächsten Rollen, wurde ich gefragt, ob ich denn den Jeletzki singen möchte. Das war schon sehr verrückt!", sagt Andrè.
Aber es gibt auch Klassik ohne Gesang: „Das Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold ist mein Lieblingsviolinkonzert. Die Klangsprache trifft mich mitten ins Herz ..."



Der Bariton Andrè Schuen stammt aus dem ladinischen La Val, Südtirol, und wuchs dort dreisprachig auf: ladinisch, italienisch und deutsch. Momentan hat er erst einmal frei: Sommerpause. Ok, stimmt nicht ganz, denn Mitte August tingelt er hinter der Bühne in Wien herum, weil am 14. September die Uraufführung von Anno Schreiers „Hamlet“, Oper in fünfundzwanzig Szenen, ansteht, in der Andrè die Hauptrolle singen wird. Ab Oktober steht dann wieder Lied auf dem Programm: Robert Schumann und Franz Schubert, bevor er als Marcello in Giacomo Puccinis „La Bohème“ im Grand Théâtre de Genève sein Unwesen treiben wird.

© Guido Werner/www.andreschuen.com


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