Von Christopher Warmuth, 20.07.2016

Reinform

Ob Beethoven das aushalten wird? Schon zu Beginn seines Streichquartetts in f-Moll op. 95 merkt man dem Novus Quartet an, dass es keine halben Sachen machen wird. Punktgenau und rigoros erklingt das erste Motiv, fast so, als ob es zerreißen wird.

Die Debütplatte des Streichquartetts ist eine perfekte Visitenkarte: Das gewählte Repertoire fächert die Bandbreite der vier Koreaner auf, zum Glück ohne anzugeben, weil ihre Musizierweise den Werken angepasst ist. Vielleicht wird man in ein paar Jahren doch vom „Novus“-Stil sprechen, so wie man vom „Arditti“-Stil spricht. Vielleicht. Bisher liegt ihr Hauptaugenmerk auf einer sehr werkgetreuen Interpretation. Das ist selten, es gibt nur wenige Ensembles, die für jedes Werk einen anderen Farbkasten heranziehen, viele durchtränken die Stücke mit ihrer eigenen Sprache. Davon ist hier nichts zu hören. Der Beethoven ist vor allem Beethoven, maximal schroff, beinahe danach strebend, sich auflösen zu wollen. Das klingt, als wollten die vier Musiker nachweisen, dass man dieses Streichquartett 117 von Ludwig van Beethoven zur späten Schaffensperiode zählen muss. Die düstere und zugespitzte Spielweise macht das deutlich. Häufig wird das Werk weniger rabiat interpretiert, so nämlich, als ob man mit der mehr als zehnjährigen Pause zwischen op. 95 und den letzten fünf Quartetten nicht ganz umzugehen weiß.

  1. Sitzen vier Musiker zusammen und spielen … nein, nicht Karten, sondern ein Quartett. Die kleine Form ist flexibel und klingt trotzdem ausgewogen. Vor allem das Streichquartett gilt unter Komponisten als Königsdisziplin. Viele nutzten sie als Experimentierwerkstatt, in der sie bahnbrechende Ideen im Kleinen ausprobieren konnten. (AJ)



Anton Weberns „Langsamer Satz“ ist da ganz anders: zitternd, fiebernd, wähnend. Alles schraubt sich an den Rand des emotional Möglichen. Die Spannungskurve scheint sich unendlich fortsetzen zu wollen. Der zweite Teil der Platte ist koreanischen Kompositionen gewidmet. Das „Streichquartett I“ von Isang Yun drängt unentwegt in alle Richtungen, die Musiker schaffen es, das Stück zu bändigen, indem sie den Rhythmus fast starr durchdeklinieren. Der Musikalität schadet das nicht, die Klangfarben fließen ineinander, vermischen und kontrastieren sich. „Arirang“, das letzte Stück, ist ein keckes Plädoyer, Widerstände zu überwinden. Dieser Platte Widerstand zu leisten ist wirklich zwecklos.


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Ludwig van Beethoven, Anton Webern, Isang Yun

#1

Novus Quartet

Aparté

© Jin-ho Park


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