Von Konrad Bott, 08.04.2016

Poetisches Sorgenkind

Aller guten Dinge sind drei – Thomas Zehetmairs Schumann-Interpretation lohnt sich.

Endlich kein Sorgenkind mehr! Robert Schumanns d-moll Violinkonzert ist mittlerweile fest im übrigen sinfonischen Oevre des tragischen Romantikers verankert. Auf Eis gelegt, von Nazis benutzt und schließlich als das Werk eines Geistesverwirrten abgestempelt, hat das eigenwillige Stück mittlerweile doch einige Befürworter und Liebhaber gefunden. Thomas Zehetmair ist einer von ihnen. Er hat den spröden Charme des Werks ohne Opuszahl in eine Reihe mit der zeitgleich komponierten Fantasie op. 131 und der ebenso berühmten wie beliebten ersten Sinfonie gestellt. Zusammen mit dem Orchestre de chambre de Paris ist so eine kraftvolle Aufnahme entstanden.

Wundervoll organisch klingt die Scheibe aus dem Hause ECM. Das wechselnde Zusammenspiel verschiedenster Instrumentengruppen wird deutlich hörbar. Besonders in der Sinfonie schillern die Klangfacetten der Musiker in allen Farben. Die Interpretation wirkt durchdacht, keinesfalls aber verkopft und schon gar nicht glatt gebügelt, wie Zehetmairs rauhe, intensive Bogenführung zeigt. In der virtuosen C-Dur-Fantasie finden er und das Orchester einen schönen Mittelweg aus süffigem Klangspektakel und angenehmer Leichtigkeit. Zehetmairs äußerst lebhaftes, volles Spiel summt bienengleich von Ton zu Ton und sammelt dabei möglichst Gehaltvolles ein.

Bei der so intensiven Beschäftigung mit der eigenen Stimme ergibt sich allerdings ein kleiner Wermutstropfen: Würde nicht das Booklet darüber Auskunft geben, dass Zehetmair sowohl Leitung als auch Solistenpart übernommen hat, man könnte im Violinkonzert schwören, er habe seine Vorstellungen von Agogik dem Orchester schlicht nicht kommuniziert. Der Solopart in diesem Stück ist stark rezitativisch komponiert und so werden nach den üblichen Tempo-Freiheiten der Solostimme, bei gemeinsamen Einsätzen zwischen Orchesterklang und Solist Ungenauigkeiten deutlich. Dabei fällt die Wahl der Tempi generell wiederum sehr ansprechend aus – keine Eile und viel Zeit für die Entwicklung der einzelnen Klänge, mit denen besonders das ehemalige Sorgenkind, das Violinkonzert, glänzt.



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